BOS-Funk: NSA-Affäre als Schock, den man nutzen muss

Die enthüllte totale Kommunikationsüberwachung durch die NSA und andere sollte deutsche Sicherheitsbehörden dazu veranlassen, ihre Funkkommunikation abzusichern. Diese Forderung wurde auf der Digitalfunkmesse PMRExpo laut.

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Von
  • Detlef Borchers

Die vom Whistleblower Edward Snowdon aufgedeckte NSA-Affäre habe einen gewissen Schock erzeugt, den man nutzen müsste, erklärte der BSI-Abteilungsleiter Gerhard Schabhüser in seiner Eröffnungsrede der 13. Digitalfunkmesse PMRExpo in Köln. Nur durchgängige Sicherheit mit einer interoperablen End-to-End-Verschlüsselung könne Angriffe auf die Vertraulichkeit der Kommunikation der Blaulichtbehörden abwehren.

Schabhüser, der beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die Abteilung Kryptologie leitet, lobte die von seinen Mitarbeitern entwickelte Verschlüsselungskarte, die in allen digitalen Polizeifunkgeräten nach dem TETRA-Standard zum Einsatz kommt. Da diese Verschlüsselungstechnik auch von Secusmart für die dienstliche Kommunikation von Regierungsbeamten angeboten wird, sprach Schabhüser von einem erfolgreichen Schritt aus der TETRA- in die GSM-Welt. Solche standardisierte, interoperable Technik könne der Schlüsselfaktor für eine neue "IT-Security made in Germany" sein und bei erfolgreicher Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft zu Exportschlagern führen.

Verschlüsselt funken – und damit innerhalb des deutschen BOS-Funknetzes zugelassen – kann der TETRA-Pager "P8GR", den die EADS-Tochter Cassidian auf der PMRExpo vorstellte. Im Unterschied zu herkömmlichen Alarmierungs-Pagern nach dem POCSAG-Standard arbeitet das Gerät bidirektional: Der Angepingte kann der Einsatzleitung melden, ob er teilnimmt und wann er an dem Einsatzort sein kann, der als Textinformation auf dem Pager angezeigt werden kann. In die Einsatzzentrale kann auch übermittelt werden, wenn der Träger in den Urlaub geht. Das wasserdichte Gerät kommt 48 Stunden über die Runden und kann dann via USB-Kabel aufgeladen werden. Ob TETRA-Paging ein Erfolg wird, ist noch nicht klar. Bis jetzt hat sich Hessen als einziges Bundesland für diese Methode entschieden. Andere Länder wollen es mit "Zweiwege-POCSAG" versuchen, bei dem die Rückmeldung via GPRS erfolgt.

Motorola stellte das bereits auf der Pariser Critical Communication World gezeigte "Connected Vehicle" in deutscher Fassung vor, ein in fünfjähriger Entwicklungsarbeit umfassend ausgestattetes Polizeifahrzeug mit TETRA- und LTE-Kommunikation, integriertem WLAN-Hotspot und automatischer Videoaufzeichnung. TETRA und der CAN-Bus des Fahrzeugs sind integriert: Daten aus dem Polizeifunk werden auf der Konsole des Wagens angezeigt, umgekehrt bekommt die Einsatzzentrale Fahrzeugdaten für die Flottenwartung. Auf dem Dach arbeitet eine automatische KFZ-Erkennung, die 5000 Kennzeichen pro Arbeitsschicht bei 90 prozentiger Genauigkeit prüfen kann. Mit Hilfe der in Deutschland nicht zugelassenen eCitation-Software kann die Polizei ihre Strafzettel bei Geschwindigkeitsübertretungen in weniger als einer Minute produzieren.

PMRExpo (4 Bilder)

Das Connected Vehicle

Die deutsche Fassung des "Connected Vehicle" von Motorola (Bild: Detlef Borchers)

Wie bereits in den Vorjahren ist die PMRExpo mit dem Leitstellenkongress verknüpft. Etliche der 151 Aussteller zeigten Leitstellen, in denen aus vielen Bildschirmen eine Video-Großwand gestapelt werden kann. Auch das Gegenstück dazu, ein Sessel für Einzelkämpfer, wurde bei Intergraph gezeigt. Er erinnert an den Arbeitsplatz der Operationszentrale der Zukunft bei unserer Marine, nur mit Getränkehalter.

Den auf der Messe anwesenden Journalisten präsentierte der Verband professioneller Mobilfunk eine Forsa-Umfrage, die gemeinsam mit der Bundesnetzagentur entwickelt wurde. Aus 40.000 von der Agentur bereitgestellten Adressen von Unternehmen mit eigenen Funksystemen wurde ein repräsentatives Sample von 400 ermittelt und befragt. Danach nutzen 49 Prozent aller Lizenzinhaber hauptsächlich die öffentliche Mobiltelefonie und nicht oder nur in Notfällen die ihnen zugewiesenen Funkbereiche. Diese werden offenbar für die Krisenkommunikation freigehalten. Zudem sind Datenfunkanwendungen in den befragten Unternehmen noch selten gefragt. Angesichts der extrem knappen Frequenzen fordert der Verband von der Bundesnetzagentur ein Umdenken. (mho)